Maßnahmen zur Prävention einer ventilatorassoziirten Pneumonie

Einzelne Maßnahmen zur Prävention der VAP sind weniger effektiv. Vielmehr sollte ein Bündel aus Standardmaßnahmen implementiert und gelebt werden, welche nachweislich zu einer Reduzierung der Pneumonierate beitragen. Eine konsequente und regelmäßige Schulung der Standards, für alle Mitarbeiter, erhöht den Erfolg.

Im folgendem sind die aktuellen Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) des Robert-Koch-Institut (RKI) zusammengefasst. Sie sollten die Basis für ein Maßnahmenbündel bilden. 
  • Anforderungen an das Personal
  • Beatmungsschläuche
  • Atemgasklimatisierung
  • Endotrachealtubus/Cuff
  • Subglottische Absaugung
  • Endotracheale Absaugung
  • Medikamentenvernebler im Beatmungssystem
  • Lagerungsmaßnahmen
  • Hygienische Mundpflege
  • Enterale Ernährung
  • Sedierung


Anforderungen an das Personal

  • Die Kerninhalte der Infektionsprävention auf der Intensivstation müssen regelmäßig in Schulungen an den Mitarbeitern vermittelt werden. Diese können nicht nur durch den ärztlichen Dienst erfolgen sondern auch durch die Intensivpflege mit entsprechender Fachweiterbildung.
  • Die hygienische Händedesinfektion ist eine der wichtigsten Maßnahmen zur Prävention einer VAP. Die Hände von Ärzten/Pflegenden sind Überträger Nummer eins.
  • Tragen von Einmalhandschuhen und Einmalkittel bei jeder pflegerischen Tätigkeit am Patienten, anschließend verwerfen. Wenn längere pflegerische Tätigkeiten am Patienten durchgeführt werden (z.B. Grundpflege) sollten die Handschuhe häufiger gewechselt werden. Der Handschuhwechsel geht immer mit einer Händedesinfektion einher. 
  • Damit das implementierte Standardmaßnahmenbündel von allen Mitarbeitern umgesetz wird, müssen die Maßnahmen in Fortbildungen erklärt werden. Nur so ist sichergestellt, daß das Maßnahmenündel von allen "gelebt" wird und die VAP-Rate sinkt.
  • Die personelle Besetzung auf der Intensivstation spielt auch eine Rolle hinsichtlich der VAP-Prophylaxe. So haben Unersuchungen ergeben das ein signifikante Zusammenhang zwischen dem Verhältnis von Pflegeperson pro Beatmungspatient und dem duftreten von Infektionen besteht.

Beatmungsschläuche

  • Um auf Nummer sicher zu gehen sollten die Beatmungsschläuche auf der Intensivstation nur Patientenbezogen genutzt werden. Auch wenn das Beatmungssystem unter 12 Stunden genutzt wurde, sollte es getauscht werden.
  • Generell sollte das Beatmungssystem nur alle 7 Tage oder bei Verschmutzung/Beschädigung, gewechselt werden. Studien zeigen, das ein häufigerer Wechsel keine Auswirkung auf die Pneumonierate hat.

Atemgasklimatisierung

Heutzutage stehen uns 2 Möglichkeiten der Atemgasklimatisierung zur Verfügung. Zum einen die aktive Atemgasklimatisierung mit beheitztem Verdampfer und die passive Atemkasklimatisierung mit einem Filter zum Wärme- und Feuchtigkeitsausstausch (HME Filter).

  • Beide Befeuchtersysteme haben ihre Vor- und Nachteile aber keines ist im Bezug auf die VAP-Prävention überlegen.
  • Hinsichtlich der HME-Filter-Standzeiten müssen die Herstellerangaben berücksichtigt werden, Produkte mit längeren Standzeiten sollten bevorzugt werden.
  • Verschmutzte oder "abgesoffene" HME Filter müssen sofort gewechselt werden.
  • Wird der HME Filter direkt am Tubus angebracht, erhöht sich die Leistung des Filters und es bildet sich in der "Gänsegurgel kein Kondenswasser.  Kondenswasser welches sich im Beatmungssystem bildet wird als potenziell kontaminiert angesehen.
  • Bei Verwendung eines aktiven Befeuchtersystems muss darauf geachtet werden das die Wasserfallen(alls vorhanden) regelmäßig entleert werden und kein Wasser in den Beatmungsschläuchen steht.
  • Beheitzbare Beatmungsschläuche reduzieren die Kondenswasserbildung in den Schläuchen auf ein Minimum.

Endotrachealtubus/Cuffdruck

  • Der Endotrachealtubus gild bei der Entstehung der VAP als Risikofaktor Nummer eins. Die bakterielle Kolonisation im Innenlumen des Tubus begünstigt das entstehen einer Pneumonie. Aus diesem Grunde werden von der Industrie Tuben mit einer Silberbeschichtung (antimikrobiell) angeboten. Der Nutzen solcher Endotrachealtuben ist noch nicht geklärt.
  • Bei der Enstehung der VAP spielt die Mikroaspiration von Sekret entlang des Cuff´s eine große Rolle. Der Cuffdruck sollte zwischen 20 und 30 cmH2O liegen. So werden Mikroaspirationen zwar nicht vollständig verhindert aber ein höherer Cuffdruck kann zu Beschädigungen der Trachealwand führen (Ulzerationen). Der Cuffdruck sollte daher regelmäßig kontrolliert werden (einmal pro Schicht).
  • Neue Endotrachealtuben mit einem Cuff aus Polyurethan erlauben eine Blockung ohne Faltenbildung und sollen so Mikroaspirationen verhindern, eindeutige Studienergebnisse gibt es leider noch nicht.

Subglottische Absaugung

Um eine Aspiration von Sekret zu vermeiten, welches sich oberhalb des Cuffs sammelt, wurden Endotrachealtuben und Trachealkanülen entwickelt die ein extra Lumen oberhalb des Cuffs besitzen. Dieses Lumen führt nach außen und erlaubt es, das Sekret oberhalb des Cuffs, abzusaugen (sog. subglottische Absaugung). Dies kann manuell erfolgen oder mit einer Pumpe die entweder kontinuierlich oder in intermittierenden Intervallen saugt.

  • Mehrere Studien und Metaanalysen haben gezeigt das besonders Patienten von einer subgl. Absaugung profitieren wenn sie länger als 72 Stunden beatmet werden, und das die Pneumonierate bei dieser Patientengruppe um bis zu 50% gesenkt wurde
  • Eine nachträgliche Umintubation des Patienten (Normalertubus-Endotrachealtubus mit subgl. Absaugung) erhöht per se die Pneumoniegefahr und sollte wohl überlegt sein.
  • Welche Art der Sekretdrainage besser ist (intermittierend/kontinuierlich) und die durch den Sog mögliche Schädigung der Trachealschleimhaut, muss noch geklärt werden. Es gilt aber, intermittierend ist besser als garnicht.

Endotracheale Absaugung

Für die Endotracheale Absaugung stehen und 2 Systeme zur Verfügung. Die geschlossene Absaugung mit einem wiederverwendbaren, im Beatmungssystem intigrierten Absaugkatheter und das offene Verfahren mit sterilen Einwegkathetern.

  • Unter infektionspräventiven Gesichtspunkten konnte kein Unterschied zwischen offenen und geschlossenen Absaugsystemen gezeigt werden. Allerdings bieten geschlossene Systeme einen besseren Schutz gegen Aerosole, wie sie die der offenen Variante entstehen.
  • Aufgrund der Aerosolentwicklung sollten bei Patienten mit multiresistenten Keimen in den Atemwegen, geschlossene Absaugsysteme verwendet werden
  • Es sollten geschlossene Absaugsysteme mit längeren Standzeiten verwendet werden. Studien haben gezeigt das Standzeiten bis zu einer Woche keinen Einfluss auf die Pneumonierate haben (Herstellerangaben beachten)

Medikamentenvernebler im Beatmungssystem

Ein Medikamentenvernebler, der üblicherweise im Inspirationsschenkel des Beatmunssytems eingesetzt wird, kann bei unsachgemäßer Handhabung schnell zu einer Keimschleuder werden. Keime nutzen die feinen Aerosole, die in der Inhalette entstehen, als Taxi in die tiefen Atemwege. Daher ist beim Umgang der Materialien auf Sterilität zu achten.

  • Vor dem Umgang mit dem Medikamentenvernebler sollte eine hygienische Händedesinfektion durchgeführt werden.
  • Die Verwendung von Einmalmedikamentenverneblern hat den Vorteil das eine Wiederaufbereitung entfällt
  • Alle Anteile des Medikamentenverneblers sind nach 24h und nach Patientenwechsel auszutauschen.
  • Medikamente, die für die Inhalaton verwendet werden, sollten Patientenbezogen genutzt werden und aus Einmalgebinden entnommen werden

Lagerungsmaßnahmen

Lange Zeit wurde die Flachlagerung von Intensivpatienten (<10°) und die damit verbundene Gefahr eines gastro-pharyngalen Refluxes als unabhängiges Risiko gesehen. Eine Oberkörperhochlagerung von 30-45° sollte die Lösung darstellen und im Intensivaltag umgesetzt werden. Neue Studien zeigen aber das der präventive Effekt nur dann eintritt wenn der Patient 24h in dieser Position verbleibt. Leider sieht es im Intensivalltag anders aus. Lagerung, Pflegemaßnahmen, ZVK-Anlage, Rö-Thorax, CT.....die Liste von Maßnahmen bei denen die Patienten flach liegen müssen ist lang.

  • Die Oberkörperhochlagerung bei Intensivpatienten wird nicht mehr als unabhängiger protektiver Faktor zur Prävention der VAP angesehen.
  • Die Oberkörperhochlagerung bei Intensivpatienten wird als Baustein in einem Maßnahmenbündel empfohlen
  • Die Rolle der Lagerung für die Prävention einer VAP ist noch ungeklärt

Hygienische Mundpflege

In der Vergangenheit haben viele Studien und Metaanalysen gezeigt wie wichtig eine gute und effektive Mundpflege für die Prävention der VAP ist. Nahrungskarenz, Intubation, Mundatmung etc. tragen dazu bei das sich mikrobiologische Lebensgemeinschaften besonders gut bilden können. Außerdem sollte der Leitsatz "Wir möchten den Patienten mit dem Zahnstatus entlassen mit dem er gekommen ist" für jeden von uns gelten.

  • Eine mechanische Zahnreinigung (unter Berücksichtigung der Blutgerinnung) sollte alle acht Stunden durchgeführt werden. Dadurch wird die Bildung von Plaque reduziert.
  • Studien, in denen die Wirksamkeit von oralen Antiseptika untersucht wurde, zeigen einen Rückgang der VAP-Rate. In der Sepsis Leitlinie werden orale Antiseptika empfohlen. Die Society of Healthcare Epidemiology of America stuft die Anwendung von oralen Antiseptika als höchste Evidenzklasse zur Prävention der VAP ein. Welche Präperate verwendet werden sollen steht nicht in den Empfehlungen. Die Dekontamination der Mundschleimhaut sollte alle 12 Stunden erfolgen (Cave: Aspirationsgefahr) 
  • Das regelmäßige "auswischen" der Mundhöhle (alle 4-8h) reduziert ebenfalls die Gefahr einer VAP (Cave:Aspirationsgefahr). Dafür sollte steriles Wasser verwendet werden. Sonstige Mundpflegelösungen wie zum Beispiel zur basalen Therapie sollten nach 24h ausgetausch werden.

Enterale Ernährung

Patienten die enterale Ernährung erhalten weisen eine geringere Infektionsrate (Sepsis,Pneumonie) auf als Patienten die parenteral ernährt werden. Eine frühe enterale Ernährung ist also vorzuziehen. Über die Platzierung der Ernährungssonde (gastral,duodenal) konnte bis jetzt noch keine Studie ein eindeutiges Ergebnis vorweisen.

  • Die enterale Ernährung der parenteralen Ernährung vorziehen.
  • Zur Platzierung der Ernährungssonde, Applikationsart und dem Beginn der enteralen Ernährung kann, bei der derzeitigen Studienlage, keine Empfehlung gegeben werden.

Sedierung

Je länger die Beatmungsdauer, desto größer ist die Gefahr einer ventilatorassoziirten Pneumonie. Eine leitliniengerechte (S3 Leitlinie der DGAI) Steuerung der Sedierungstiefe führt zu einer Senkung der Beatmungsdauer.

  • Zur Prävention einer VAP sollte eine leitliniengerechte Steuerung der Analgesie und Sedierung beim beatmeten Patienten angewendet werden, mit dem Ziel die Beatmunsdauer zu verkürzen.
  •  Ein täglicher "Aufwachversuch" mit anschließender Neueinstellung der Analgosedierung kann ebenfalls dazu führen das die Beatmungszeit verkürzt wird.
  • Außerdem sollte täglich darüber nachgedacht werden ob der Patient den Tubus überhaupt noch benötigt.